Fühlen Sie sich, wie von einem Zug überfahren? Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Sie wurden von einem Zug überfahren – oder Sie haben eine Grippe. Denn genauso, das sagte Professor Martin Scherer in seinem Vortrag „Kommen Sie Grippe & Co. zuvor“, fühle man sich, wenn man eine richtige Grippe und nicht „nur“ eine Erkältung hätte.
Zwar seien die Symptome beider Erkrankungen oft ähnlich – aber eine Grippe tritt blitzartig auf. „Sie haben auf einen Schlag Halsschmerzen, Kopf-und Gliederschmerzen und hohes Fieber und Sie haben nur noch einen Wunsch: ins Bett.“
Eine Erkältung hingegen kündige sich meist mit Halsschmerzen, dann mit Schnupfen und Kopf- und Gliederschmerzen an. „Für beides gibt es keine Therapie, die die Ursachen ausschaltet“, so der Allgemeinmediziner. „Man muss sich einfach auskurieren.“ Und das bedeute vor allem, dem Körper Ruhe zu geben, damit die Abwehrkräfte die Grippe- oder Erkältungsviren schachmatt setzen können.
Denn unser körpereigenes Abwehrsystem ist sehr schlagkräftig. Die meisten Erreger schaltet das Immunsystem aus, bevor wir davon überhaupt etwas bemerken. Unser angeborenes Immunsystem, das uns in die Wiege gelegt wurde, spürt die meisten Erreger binnen Stunden auf und zerstört sie.
Eine zentrale Rolle in der Abwehr spielen spezielle weiße Blutkörperchen, die Lymphozyten. „Im Verlauf des Lebens erwerben wir eine gigantische Bibliothek von Informationen über Erreger, die Antikörper“, erläuterte der Direktor des Instituts und der Poliklinik für Allgemeinmedizin (IPA). Sie greifen unterschiedliche Erreger gezielt an. Die Antikörper erkennen unterschiedliche Erreger, weil sie auf unterschiedliche Strukturen auf deren Oberfläche, den sogenannten Antigenen, reagieren. So wie ein Schlüssel zu einem Schloss passt, existiert zu jedem Antigen ein spezieller Antikörper.
Sind die Lymphozyten einmal mit einem bestimmten Antigen in Berührung gekommen, können sie sich lebenslang daran „erinnern“ und lösen bei einem erneuten Angriff sofort eine komplexe, spezifische Reaktion aus. Das Ergebnis ist, dass der Körper gegen diese Krankheiten immun ist. Diese „Bibliothek“ wird als erworbenes Immunsystem bezeichnet.
„Eine Impfung ist nichts anderes als ein Training für das Immunsystem, damit es Antikörper bildet“, erläuterte der Allgemeinmediziner. Allerdings funktioniert das unterschiedlich gut. „Während die Wirkung bei Masern super ist, liegt die Wahrscheinlichkeit, trotz einer Impfung eine Grippe zu bekommen, bei 50 Prozent.“
Ein Grund ist, dass es unterschiedliche Typen des Influenza-Virus gibt, die sich jedes Jahr zudem verändern. Der Impfstoff muss daher jedes Jahr neu „gemischt“ werden, damit er wirksam ist. Gleichwohl: wer älter als 60 Jahre ist, an einer chronischen Krankheit leider, zum medizinischen Personal gehört oder viel Kontakt mit Menschen hat, sollte sich im Oktober oder November sollte impfen lassen, riet der Mediziner. „Ansonsten raten wir zur Entlarmisierung “, betonte Prof. Scherer, denn für einen gesunden Menschen mit einem intakten Immunsystem sei die Grippe in der Regel nicht lebensbedrohlich. „Die meisten Menschen, die an Grippe erkranken sind nach sieben bis 14 Tagen wieder gesund.“
Die Medikamente, die Grippeviren direkt bekämpfen sollen (Neuraminidasehemmer), hätten die ursprünglich in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. „Im Regelfall kann auf eine Behandlung mit diesen Medikamenten verzichtet werden“, unterstrich der Mediziner.
Um das Risiko, sich anzustecken zu verringern, riet Professor Scherer, das Immunsystem mit gesunder Ernährung und Bewegung zu stärken. Regelmäßiges Handwaschen hilft zudem, die Anzahl der unerwünschten Angreifer zu verringern. Wie das geht, erfuhren die Besucherinnen und Besucher auf dem Markt der Gesundheit, im Anschluss an den Vortrag.