„Das Knie ist das komplexeste Gelenk in unserem Körper und leistet unglaublich viel. Dank Knorpelmasse und Gelenkflüssigkeit läuft im Normalfall alles wie geschmiert“, sagte Professor Karl-Heinz Frosch zu Beginn des Abends in seinem Vortrag. So können wir das Knie völlig gerade durchstrecken oder um 150 Grad beugen. Und ein leicht gebeugtes Knie lässt sich zudem noch nach außen und innen verdrehen – ohne dass die Bänder reißen. Die Knie federn bei jedem Schritt unser Körpergewicht ab und können kurzfristig eine Belastung von einer Tonne aushalten. Vorausgesetzt der „Stoßdämpfer“ im Knie, der Knorpel, ist intakt.
Doch mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, dass es zu einer Arthrose kommt. Arthrose ist, vereinfacht formuliert, ein Gelenkverschleiß, der das altersübliche Maß übersteigt. Frauen sind davon aus noch unerklärbaren Gründen häufiger betroffen.
Doch eines ist sicher. Wer sich als Kind viel bewegt hat, hat auch im hohen Alter viel bessere Chancen auf gesunde Knie– sofern er nicht Profisportler in Knie-belastenden Sportarten wie Fußball oder Handball war. „Kinder, die sich viel bewegen, bauen in der Jugend mehr Knorpel auf, als die Kinder, die ständig herumsitzen“, erläuterte der Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie. „Somit dauert es länger, bis ihr Knorpel verbraucht ist.“ Denn sind wir einmal ausgewachsen, wird auch kein Knorpel mehr gebildet. Wir leben dann von der Substanz und die sollte gepflegt werden.

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Frosch & Prof. Dr. med. Frank Timo Beil
Der größte Risikofaktor für Arthrose ist Bewegungsmangel. „Sie hilft, dass wir lange mit gesunden Knien leben können“, betonte der Mediziner. Nur Bewegung sorgt dafür, dass der Knorpel mit lebensnotwendigen Nährstoffen versorgt wird.
Der Grund: Im Knorpel verlaufen keine Blutgefäße. Das ist auch sinnvoll. Denn zeitweilig herrscht in den Knien ein so hoher Druck, dass unser Kreislaufsystem diesen Druck nicht verkraften und unsere Blutversorgung insgesamt kollabieren würde. Deshalb ist der Knorpel von der Versorgung durch das Blutsystem abgeschnitten und bezieht seine Nahrung aus der Gelenkflüssigkeit.
Belasten wir die Knie, wird der Knorpel in ihnen zusammengepresst und Flüssigkeit entweicht. Der Knorpel besteht zu 70 Prozent aus Wasser. Wenn wir schlafen, saugt sich der Knorpel wie ein Schwamm mit der nahrhaften Gelenkflüssigkeit voll.
Bewegen wir uns also nicht ausreichend, „verhungert“ der Knorpel. „Der Knorpel wird dann ganz weich, wie ein Pudding.“ Dabei seien Ausdauersportarten wie Joggen oder Nordic Walking gut. „Auch Marathon schadet nichts, wenn er richtig trainiert wird.“
Der zweite Risikofaktor ist Übergewicht, weil die Knie bei jedem Schritt stark strapaziert werden und weil diese Menschen sich oft nicht ausreichend bewegen.
Wichtig sei in jedem Fall eine gute Ernährung. Die mediterrane Kost, die auf dem Markt der Gesundheit im Anschluss an die Vorträge erläutert wurde, helfe dabei.
Bewegung schütze nicht nur den Knorpel. Bewegung ist auch ein Baustein jeder Behandlung, betonte der Knieexperte. „Selbst ein hochgradiger Verschleiß, heißt nicht, dass ein künstliches Gelenk eingesetzt werden muss, wenn der Alltag gut bewältigt werden kann“, betonte der Mediziner, Experte für gelenkerhaltende Therapien.
Gleichwohl gibt es keine Heilung bei Arthrose. Es sei bis heute nicht möglich, einmal verlorengegangenen Knorpel zu ersetzen, auch wenn das immer wieder versprochen würde. „Ein einmal verloren gegangener Knorpel kann nicht wieder hergestellt werden“, sagte Professor Frank Timo Beil, Experte für Endoprothetik. Man könne nur mit Medikamenten, Physikalischer Therapie, Physiotherapie, gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung dazu beitragen, dass der Alltag weitgehend uneingeschränkt gelebt werden kann. Manchmal helfen auch Nahrungsergänzungsmittel, aber es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die diese Wirkung untermauern. Sicher ist nur, dass Omega-3-Fettsäuren, die mit Seefisch und Lachs auf den Tisch kommen, positiv für die Gelenkgesundheit sind.
„Wenn das Gelenk doch nicht mehr erhalten werden kann“, erläuterte der Direktor der UKE-Klinik für Orthopädie und der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Rheumatologie am Klinikum Bad Bramstedt, „dann haben wir mehrere Möglichkeiten, es zu ersetzen. Dabei gehen wir so vor, dass wir so wenig wie möglich ersetzen.“
Der zentrale Unterschied zwischen den unterschiedlichen künstlichen Kniegelenken besteht darin, dass sie entweder nur einen Teil des Knies oder die gesamte Kniefläche ersetzen. „Die Wahl hängt davon ab, in welchem Zustand die Bänder, Knochen und Muskeln sind“, erläuterte der Orthopäde. „Wir teilen das Knie in drei Abschnitte ein. Ist nur ein Abschnitt betroffen, dann können wir eine Teil-Endoprothese nutzen, sind zwei Abschnitte betroffen, dann tauschen wir das ganze Knie aus.“ Auch dafür stehen unterschiedliche Prothesen zur Verfügung. Sind die Seitenbänder und auch die hinteren Kreuzbänder noch ausreichend stabil, können andere Prothesen verwendet werden, als wenn diese Bänder bereits zerstört sind, das Knie völlig instabil ist. „Deshalb muss jede Therapie individuell gestaltet werden“, unterstrich der Mediziner nachdrücklich. In der Regel halten künstliche Knie 15 bis 20 Jahre.
Wer ein neues Knie braucht, dem wird es damit umso schneller wieder gut gehen, je stärker die Muskeln vor der Operation waren. Bewegung ist eben das A und O für die Kniegesundheit. (ang)