„Knochen ist ganz einfach. Er braucht nicht elf Mitspieler wie im Fußball, sondern nur drei“, erläuterte Professor Michael Amling den Besucherinnen und Besuchern der Gesundheitsakademie UKE. „Die Osteoblasten bauen ihn auf, die Osteoklasten bauen ihn ab, und die Osteozyten, deren Leistung wir ganz lange nicht verstanden haben, sind die Trainer. Sie sagen, wo es langgeht.“ Der dritte Mitspieler ist wirklich spektakulär. Alle Osteozyten zusammen sind so groß wie eine Orange, und ausgebreitet bedecken sie eine Fläche von 7000 bis 8000 Quadratmetern.

In der Tat ist unser Skelett eine einzige Baustelle, allerdings in der Regel ohne Stau und gut koordiniert. Alle sieben Jahre ist es, ausreichend Kalzium, Phosphat und Vitamin D vorausgesetzt, generalüberholt. Jeder der 206 Knochen eines erwachsenen Menschen ist dann vollständig erneuert. „Wenn ich 100 Jahre alt bin, sind meine Knochen immer noch jung. Es gibt keinen Knochenverlust, der mit dem Alter unabdingbar einhergeht. Das ist Quatsch. Das Skelett ist immer sechs Jahre alt, und die Knochendichte entspricht der eines 30-Jährigen“, betonte der Direktor des Instituts für Osteologie und Biomechanik am UKE. Ein Raunen ging bei diesen klaren Sätzen durch den Raum. Nur sechs klitzekleine Ausnahmen gibt es: die Gehörknöchelchen. Je drei der kleinsten Knochen des Menschen – sie wiegen zwischen 0,002 und 0,027 Gramm – befinden sich in einem Mittelohr, und sie altern.
Wenn die Skelettknochen den Belastungen doch nicht mehr standhalten und ohne äußeren Anlass brechen, dann gibt es dafür mehrere Ursachen. Eine ist Bewegungsmangel. Damit die Knochen gut in Form bleiben, müssen sie bewegt und ausreichend belastet werden. Nur dann werden die Knochen aufgebaut, nur dann bleibt die Knochenfestigkeit erhalten. „Wer wenige Muskeln hat, hat auch wenig Knochen.“
Wie wichtig Bewegung ist, zeigt sich beispielsweise auch daran, dass die internationale Raumstation ISS auch eine „fliegende Muckibude“ ist. Zwei Stunden Fitness-Training gehören zur täglichen Routine der Langzeitbewohner.
Eigentlich ist jeder Sport geeignet, bei dem das Körpergewicht die Knochen belastet. Schwimmen und Radfahren helfen zwar den Gelenken, aber den Knochen weniger.

Die zweite Ursache ist ein gestörter Knochenstoffwechsel. Kalzium, Phosphat und Vitamin D sind zentral für einen gesunden Knochenstoffwechsel. „Vitamin D ermöglicht dem Körper, aus der Nahrung Kalzium aufzunehmen. Doch in Hamburg, wie überhaupt in Deutschland, bilden Sie unter normalen Lebensumständen und mit Sonnenschutzcreme ausgestattet nicht ausreichend von diesem für den Knochenstoffwechsel so wichtigen Vitamin“, unterstrich Professor Amling nachdrücklich. „Wir wissen, dass 85 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger einen Vitamin-D-Mangel haben, nur 25 Prozent zeigen allerdings einen gestörten Knochenstoffwechsel. Das heißt, nicht jeder Vitamin-D-Mangel führt dazu, dass die Knochen leiden“, unterstrich der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Täglich bedarf es einer Zufuhr von 1000 IE (Internationale Einheiten). „Das könnten Sie durch 16 Eier, 24 Liter Milch und zwei Heringen am Tag erreichen. Alternativ könnten sie nach Sardinen oder nach Skandinavien auswandern, im ersteren scheint die Sonne und im zweiten sind die Lebensmittel mit Vitamin D angereichert“, erläuterte der Mediziner eher scherzhaft, um ernsthaft die Einnahme von Vitamin-D-Ersatz zu empfehlen. Vorher sollte geklärt werden, dass diese Präparate erstens wirken, zweitens nicht überteuert sind und drittens nicht mit anderen Medikamenten unerwünscht wechselwirken.
Doch mit Vitaminpräparaten allein ist es nicht getan, wenn man Knochenbrüchigkeit vermeiden will. Denn der Kalziummangel kann auch die Folge einer Kettenreaktion sein, an deren Anfang Säureblocker stehen. „Eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme von Kalzium durch den Körper ist eine normale Magensäurebildung“, so Professor Amling. Diese nimmt bei Menschen, die älter als 50 Jahre sind, meist langsam, aber stetig ab. Zugleich nehmen zehn Prozent der Bevölkerung, also rund acht Millionen Menschen, Säureblocker ein, um Sodbrennen zu stoppen und den Rückfluss der Magensäure in die Speiseröhre zu verhindern. „Diese Menschen können das notwendige Kalzium nicht richtig aufnehmen. Deshalb steigt das Risiko deutlich, dass die Knochen brechen, nämlich um das Sechsfache“, so der Mediziner. Um das Risiko zu senken, sollte man spezielle bioverfügbare Kalziumpräparate statt der „klassischen“ Mittel nehmen. „Auf keinen Fall sollte man Säureblocker einfach absetzen“, warnte Prof. Amling.
Bei Knochenkrankheiten zielt die Behandlung zunächst einmal darauf ab, das Kalcium-Phosphat-Gleichgewicht wiederherzustellen. Wer dann noch mehr braucht, der kann inzwischen zwischen mehreren Medikamenten wählen. Seit diesem Jahr gibt es ein spezielles Medikament, das bei einigen Formen der Osteoporose eingesetzt werden kann.